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Gestiegene Nachfrage bei Tafeln

Die Nachfrage bei den Tafeln im Kreis Steinfurt steigt weiter an. So hat beispielsweise die Tafel in Ibbenbüren seit Mai letzten Jahres fast doppelt so viele Anfragen wie zuvor.

Monika Kulik und Dominique Hopfenzitz sortieren bei der Tafel in Ibbenbüren das Gemüse, bevor es herausgegeben wird.

Der Geruch reifer Bananen liegt in der Luft. Er mischt sich mit Stimmen freundlicher Gespräche und dem Rascheln von Plastiktüten. Etwas unsicher betritt Ira den kleinen Raum der Ibbenbürener Tafel vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Die Kühltheke ist gut gefüllt mit Joghurt, Käse oder Aufschnitt – die meisten Produkte tragen einen grellen 30 Prozent oder 50 Prozent billiger Aufdruck, der auf eine kurze Haltbarkeit hinweist. 

Ira ist 32 Jahre alt und ist Ukrainerin. Sie kommt regelmäßig zur Tafel seit sie vor neun Monaten aus Charkiw mit ihrer dreizehnjährigen Tochter geflohen ist. In Ibbenbüren habe sie eine Wohnung – sie bekommt Bürgergeld. Nach Miete und Kleidung bliebe allerdings nicht viel übrig, sagt die junge Frau in gutem Deutsch. Ira schüttelt zwei große Plastiktaschen auf, die sie mitgebracht hat, packt Brot ein, Käse, ein Fertiggericht. Monika Kulik steht hinter der Theke und reicht ihr die Lebensmittel an. „Eier gibt es heute leider nicht. Aber reichlich Milch“, sagt Kulik. Aus einer Kiste kramt sie noch zwei Weihnachtsmänner hervor. „Für die Tochter“, lächelt sie. Es ist zwar kurz vor Ostern – aber die Schokolade schmeckt trotzdem. 

Monika Kulik ist eine von insgesamt 65 Ehrenamtlichen, die regelmäßig und zuverlässig bei der Ibbenbürener Tafel mitarbeiten. Heute, an einem Mittwoch, hat sie den Hut auf in der Schicht mit insgesamt fünf Ehrenamtlichen. Sie behält den Überblick. Die Mengen zu rationieren, fiel ihr anfangs schwer, „aber wenn ich nicht genug habe, dann sage ich ‚Schluss‘, damit jeder etwas bekommt“. Erwartet werden 40 bis 50 Personen, darunter Eltern, die mit ihren Kindern die Tafel besuchen. Zunehmend häufiger kämen außerdem Menschen, die wegen psychischer Erkrankung nicht mehr arbeiten können. Tafel-Kundinnen und -Kunden zahlen 1,50 Euro pro Erwachsenem, für ein Kind 50 Cent – höchstens aber fünf Euro, wenn sie beispielsweise Lebensmittel für eine große Familie benötigen.

Die Tafel in Ibbenbüren hat seit Mai 2022, etwa drei Monaten nach Kriegsbeginn in der Ukraine, fast doppelt so viele Anfragen wie zuvor. Dienstags bis freitags ist die umgebaute Garage mit dem kleinen Nebengebäude geöffnet und versorgt so aktuell etwa 1.600 Menschen mit Lebensmitteln. „Das geht nur Dank perfekter Organisation“, sagt Kulik und nickt Barbara Berardis, Mitarbeiterin des SkF Ibbenbüren, anerkennend zu, während sie die Pläne der kommenden Tage studiert. In bunt markierten Tabellen ist festgehalten, welche Kunden mit welchen Tafelausweis-Nummern heute dran sind. „Sogar die Uhrzeiten sind festgelegt“, erklärt Monika Kulik ein wenig stolz auf das faire System, „und sie rotieren regelmäßig, damit die, die das letzte Mal erst spät dran waren, das nächste Mal früher dran sind“.

Monika Kulik ist Rentnerin und arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich für die Tafel in Ibbenbüren. „Immer nur Kaffeeklatschen ist mir zu langweilig“, lacht sie, sie wolle lieber etwas Sinnvolles tun. Nachdem ihr Mann starb, habe sie eine neue Aufgabe gebraucht, erinnert sich die gelernte Bürokauffrau, während sie Milchkartons sortiert. „Wenn die Kühltheke voll ist, motiviert mich das. Ich habe immer Spaß, wenn die Leute mit einem großen Lächeln wieder gehen.“ Die meisten Tafel-Kunden kenne sie mit Namen. Mittwochs arbeiten oft dieselben Ehrenamts-Kollegen zusammen – die Stimmung untereinander ist gut, die Abläufe sind routiniert. Kulik weiß um den Wert ihres ehrenamtlichen Einsatzes: „Wenn wir morgen den Hammer fallen lassen würden, könnten die dicht machen.“ Anlass zur Sorge darum sieht sie aber nicht: „Die Zuverlässigkeit und Zufriedenheit bei allen ist 100 Pro.“

An diesem Tag hat die Gruppe besondere Unterstützung. Dominique Hopfenzitz, Direktor der Caritas im Bistum Münster, packt mit an. Er möchte in Kontakt kommen mit Ehrenamtlichen der Caritas-Arbeit vor Ort und mit Bedürftigen. „Ich glaube, ich kann realistischer mit der Politik über Ehrenamt und die Situation der Tafeln sprechen, wenn ich selbst richtig mitgearbeitet habe“, sagt Hopfenzitz. „Menschen, die in Armut leben, zu helfen, ist eine Kernaufgabe der Caritas“, erklärt Hopfenzitz, „ganz konkret mit Angeboten wie der Tafel – aber auch anwaltschaftlich als Stimme in Gesellschaft und Politik.“ Das große freiwillige Engagement und die Übernahme von Ehrenämtern, sei zu einer tragenden Säule geworden. Der Caritasdirektor warnt allerdings vor Tendenzen der Politik, absolute Notsysteme wie Tafeln stärker auszubauen. Dem schließt sich auch Barbara Kurlemann an: „Uns wäre es lieber zu sehen, dass Menschen abgesichert sind, statt Tafeln im System zu fördern“, sagt die Geschäftsführerin des SkF Ibbenbüren. 

Im Garagenraum der Ibbenbürener Tafel wird Obst und Gemüse ausgegeben. Monika Kulik und Dominique Hopfenzitz öffnen Tüten mit Möhren. Einige haben dunkle Stellen, sie werden aussortiert. Im Anschluss werden alle für gut befundenen Karotten noch einmal gründlich abgespült. Der Porree hat einige trockene Blätter, der Rosenkohl gelbe Knollen unter den restlichen grünen. Alles Lebensmittel, welche die etwa 20 Supermärkte im Umland, die die Tafel anfährt, nicht mehr verkaufen konnten. 

Neben dem Nötigsten, gibt es manchmal auch einfach schöne Dinge. Ira, die 32-jährige Ukrainerin, sieht neben den Obst- und Gemüsekisten einen Eimer mit Tulpen stehen. Zurückhaltend fragend schaut sie die Tafel-Mitarbeiterin an, diese nickt bestätigend. Ira lächelt, nimmt sich einen Bund rosa Tulpen, eine kleine Freude, die sie sich sonst nicht leisten kann.


Text/Foto: Caritas Münster
04.04.2023