Sie sind Orte, an denen sich Menschen anderer Muttersprache heimisch fühlen, die ihnen Kraft geben: 26 Gemeinden für Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache, Kultur und Ritus gibt es im Bistum Münster. An 70 Orten feiern sie Gottesdienste in einer anderen Muttersprache – im Kreis Steinfurt unter anderem in Neuenkirchen-St. Arnold, Ibbenbüren, Mettingen, Greven, Steinfurt und Rheine. In Rheine trifft sich regelmäßig die portugiesisch-sprachige Gemeinde, die von Diakon Ludger Schulten begleitet wird. Weil in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer mehr Geflüchtete und Migranten aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind, hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) jetzt neue „Leitlinien für die Seelsorge in anderen Sprachen und Riten“ herausgegeben.
„Die Gemeinden anderer Muttersprache, Kultur und Ritus bieten Zugewanderten einen Ort der Beheimatung. Es werden die besonderen religiösen Prägungen der Herkunftsländer gepflegt. Das schafft Nähe und Vertrautheit“, sagt Ludger Schulten. In der deutschen Zuwanderungsgesellschaft gebe es nicht nur die Zuwanderung der sogenannten „Gastarbeiter“, für die in den 1960er Jahren die ersten Gemeinden anderer Muttersprache gegründet wurden. Es komme immer eine neue Zuwanderungsgeneration, die am Anfang des Integrationsprozesses stehe und in den Gemeinden anderer Muttersprache einen guten ersten Anker in der deutschen Gesellschaft fänden.
„In der portugiesisch-sprachigen Gemeinde treffen sich die erste sogenannte Gastarbeitergeneration und deren Kinder und Enkel. Es kommen aber kontinuierlich neue Zugewanderte aus Portugal im Rahmen der europäischen Freizügigkeit dazu. Mittlerweile suchen zunehmend auch Gläubige aus Brasilien oder Angola unsere Gemeinde auf“, weiß der Diakon mit Zivilberuf beim Diözesancaritasverband in Münster aus eigener Erfahrung. Die zunehmende kulturelle Vielfalt in Deutschland spiegele sich also auch in der Gemeinde wider und bereichere das Gemeindeleben.
Die Gemeinden anderer Muttersprache schaffen Gelegenheiten, neue soziale Kontakte zu knüpfen, beobachtet Schulten immer wieder: „Sie bieten durch gegenseitige Unterstützung bei der Orientierung in die deutschen Rahmenbedingungen, der Suche nach Arbeit oder einer Wohnung sowie bei den Sozialstrukturen wichtige Netzwerke, um in der deutschen Gesellschaft anzukommen. Damit bieten die Gemeinden auch wichtige Unterstützung zur Integration in die deutsche Aufnahmegesellschaft.“
Die deutsche Kirche würde ohne die Gemeinden deutlich ärmer, ist Ludger Schulten überzeugt: „Für katholische Zugewanderte wäre die Gefahr groß, dass sie nicht in den Ortspfarreien ankommen und religiös heimatlos bleiben. Das würde Integrationsprozesse erschweren.“
Von den Kontakten profitiere auch die deutsche Kirche, glaubt der Rheinenser: „Gemeinsame Gottesdienste und Feste bereichern beide Seiten. Die muttersprachlichen Gemeinden geben die Chance, vor der eigenen Haustür Weltkirche zu erfahren. Bei den Diskussionen um Reformen in der deutschen Kirche hilft es, migrantische Gruppen einzubeziehen, da so eine zu starke Begrenzung auf die eigene Wahrnehmung vermieden werden kann und eine gewisse Außenperspektive die Diskussionen bereichert.“
Im Alltag zeigen sich bei den muttersprachlichen Gemeinden die gleichen Herausforderungen wie in den Ortsgemeinden, schildert der Diakon die Situation. Die Bindung an die Gottesdienstgemeinden lasse nach. Für die Familien der ersten „Gastarbeitergeneration“ ergebe sich so die schmerzhafte Erfahrung, dass bei Kindern und Enkeln zunehmend die sprachliche und kulturelle Bindung mit den Herkunftsländern abnimmt.
Bei Neuzugewanderten bestehe vielfach ein deutlich erhöhter Bedarf bei der Orientierung in die deutschen Verwaltungs- und Sozialstrukturen, so Schultens Beobachtung: „Wenn die Gemeinden den Auftrag zum caritativen und geschwisterlichen Miteinander im Sinne einer ganzheitlichen Seelsorge ernst nehmen wollen, müssten sie sich diesen Unterstützungsbedarfen stellen und versuchen, dafür Angebote zu schaffen. Das übersteigt aber den Rahmen der Angebote von Gottesdiensten und Katechese“, erklärt Schulten. Lösungskonzepte gebe es dafür aktuell keine.
Die neuen Leitlinien mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer interkulturellen Communio“ bieten Orientierung, wie das gemeinschaftliche Miteinander in der Kirche über die Grenzen von Sprachen, Kulturen und Riten hinweg gestaltet werden kann, sagt Franz-Thomas Sonka. Der für das Bistum Münster zuständige Referent war Teil der bundesweiten Arbeitsgruppe. Münsters Bischof Genn betone schon seit mehreren Jahren das, was die neuen Leitlinien nun schwarz auf weiß hervorheben: „Die Gemeinden anderer Muttersprache, Kultur und Ritus sind Teil der katholischen Kirche im Bistum Münster. Ihre Mitglieder sind keine Gäste, sondern müssen an allem partizipieren können. Sie gehören zu uns.“
Die Leitlinien „Auf dem Weg zu einer interkulturellen Communio“ können im Internet auf www.dbk-shop.de erworben werden.
Text: Bischöfl. Pressestelle
Foto: Dialog Verlag
15.11.2024